Leere Hochhäuser, die Finanzbehörde und Stadtteilentwicklung


Spaldingstraße 1b

Gebaut wurden die Hochhäuser Spaldingstraße 1 und 1b in den siebziger Jahren. Bauherr war Hans Hillgruber. Dieser besaß damals mehrere Kontorhäuser in Hamburg und wollte immer noch mehr. Daraus wurde aber nichts. Mitten im Bau der Spaldingstraße 1b ging Hillgruber in Konkurs. Übrig blieb das Hochhaus Spaldingstraße 1 und das zu einem Drittel bereits fertig gestellte Hochhaus Spaldingstraße 1b. Anfang 2000 wurden beide Häuser unter Zwangsverwaltung gestellt.

Seit über dreißig Jahren wurde in den Häusern nicht mehr investiert. Anfangs gab es noch Mieter, aber die wurden wegen Hillgrubers überhöhte Mietvorstellungen immer weniger. Heute betreibt nur noch in den Erdgeschossen ein Fachhandel für Schulmöbel seine Lagerhaltung und oben im 7. und 8. Stock der Spaldingstr.1 sind noch einige wenige Büroräume als Arbeitsräume vermietet. Alle anderen Stockwerke stehen leer. Ein Ärgernis ersten Grades, denn wir suchen seit Jahren händeringend nach bezahlbaren Arbeitsräumen für die unterschiedlichsten Kunstaktivitäten innerhalb des Münzviertels:

„Künstlerisches Gestalten ist im Münzviertel eine Auseinandersetzung mit sozialer Nachbarschaft, öffentlichem Raum und städtischer Entwicklung. Diese Szene ist langfristig auf günstige Nischen im Quartier angewiesen.“
(Handlungskonzept: „Themengebiet Münzviertel“ S. 15 Absatz: „Kunst und Soziales als Basis für die Quartiersentwicklung“ FHH, Fachamt für Stadt- und Landschaftsplanung Hamburg-Mitte, 2008)

Vor ca. einem Jahr unternahmen wir in Absprache mit dem Quartiersbeirat Münzviertel den ersten Versuch, Arbeiträume zur Zwischennutzung in den leeren Hochhäusern anzumieten. Der Versuch scheiterte kurz nach der Begehung der Häuser mit dem Hinweis seitens der Zwangsverwaltung, dass sich die Besitzverhältnisse der Häuser geändert hätten.

Als neue Besitzerin der Hochhäuser entpuppte sich zu unserer Überraschung die FHH in Verwaltung der stadteigenen Sprinkenhof AG. Urplötzlich waren wir als Hamburger Bürger unerwartet Miteigentümer der beiden Hochhäuser. Hoffnungsvoll der zweite Anlauf.

Anfang April trafen wir uns mit Mitarbeitern der Sprinkenhof AG zur Begehung der Häuser. Dabei teilten uns diese mit, dass die leeren Büroräume in der Spaldingstr. 1 wegen erheblicher Baumängel zur Zwischenvermietung nicht zur Verfügung stehen. Stattdessen boten sie uns in der Spaldingstr.1b die Geschoßflächen 2-4 zur Zwischenmietung an. Wir waren optimistisch.

Doch bereits eine Woche später erhielten wir von der Sprinkenhof AG einen knappen Dreizeiler indem diese uns mitteilte, dass sie in Abstimmung mit der jetzigen Eigentümerin der Häuser, das Immobilienmanagement der FHH Finanzbehörde, grundsätzlich von jeglicher Neuvermietung absehen, da die Grundstücke einer anderen Verwertung zugeführt werden. Ernüchternd und frustrierend, eine rückwärtsgewandte Antwort, die sich arrogant querstellt zur kooperativen Allianz zwischen allen Beteiligten heutiger Stadtteilentwicklung:

„Diese (kooperative) Allianz (zwischen Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft) basiert auf einer gemeinsamen Problembewertung, auf gemeinsam ausgehandelten Lösungsstrategien und Zielorientierungen. Sie beruht auf gemeinsamen Absprachen, Übereinkünften und Selbstbindungen zwischen den Beteiligten hinsichtlich Transparenz, Partizipation, Verantwortlichkeiten und kollektiver Entscheidungsfindung.“
(„Rahmenprogramm integrierte Stadtteilentwicklung “ S. 65, Absatz: „Lokale Governance“ FHH, Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt, 2009)

Doch das Immobilienmanagement der Finanzbehörde pfeift auf Transparenz, Kooperation und kollektiver Entscheidungsfindung und setzt weiterhin auf die Marke „Unternehmen Hamburg“. Mit deren Hilfe sie seit Jahren das städtische Gemeinwesen entsolidarisiert und zum reinen Wirtschaftsunternehmen degradiert: profitabel, wettbewerbsorientiert, effizient. Ein Rohrkrepierer, wie es die aktuellen Ereignisse um das Gängeviertel, die extrem hohen Kostenexplosionen bei der Elbphilharmonie oder die 3 Milliarden Euro Verluste der HSH Nordbank beispielhaft für andere aufzeigen.

Aber die Finanzbehörde ist unbelehrbar. Unter dem ausgelutschten Slogan: „Hamburg a place for your Vision“ preist sie seit März das Hillgrubergrundstück auf dem globalen Immobilienmarkt plakativ als „Tor zur Innenstadt“ zum sofortigen Verkauf an. Und da sind Zwischennutzungsmietverträge, Transparenz und kollektive Entscheidungsfindung mit den unmittelbar Betroffenen vor Ort nur hinderlich.

Jetzt nach sieben Monaten ist das Grundstück noch immer nicht verkauft. Warum auch? Seit über 30 Jahren versuchte Hillgruber das Grundstück ohne Erfolg zu verkaufen und das gleiche gilt auch für das zwischen Klostertor und Schultzweg unmittelbar benachbarte städtische Grundstück. Auch dieses versucht die Finanzbehörde ebenfalls ohne Erfolg seit fast 10 Jahre auf dem internationalen Immobilienmarkt an den Mann zu bringen.

Denn beide Grundstücke, direkt an der überbreiten, lauten und schmutzigen Verkehrschneise Amsinckstraße/Spaldingstraße gelegen, sind nach dem alten Muster „Unternehmen Hamburg“ und dem Überangebot an freien Büroflächen in der HafenCity und auch anderswo schwerlich zu verkaufen. Was übrig bleibt sind weiterhin über viele Jahre leere Hochhäuser und ein Geschäftsmodell ohne Gegenwart und Zukunft.

Zwischennutzungen sind Nährboden für neue Entwicklungsmodelle

Dagegen wäre ein Geschäftsmodell mit Gegenwart und Zukunft ein Modell, welches sich endlich von dem immobilienwirtschaftlichen Druck befreite und sich stattdessen auf die Suche nach schöpferischen Partnern begäbe, die ihre eigene städtische Umwelt:

„als Nährboden für Ideen, Erfindungen, neue Formen der Ökonomie und des Zusammenlebens“ erkunden und aktivieren
(„Kreative Milieus und offene Räume in Hamburg“ S.78, Absatz: „Offene Stadt als Ressource für Kreativität“ FHH, Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt, 2010).

Das Nein der Finanzbehörde ist für uns nicht hinnehmbar. Und so beschloss der Quartiersbeirat Münzviertel während seiner Sitzung am 6. Mai 2010 über den bezirklichen Ausschuss für Wohnen und soziale Stadtentwicklung an die Sprinkenhof AG heranzutreten und diese aufzufordern, ihre Ablehnung gegenüber unseren Zwischennutzungsanfragen detaillierter darzulegen und zu prüfen, ob gemeinsame erarbeitete Alternativlösungen möglich sind.

Leider haben wir bis zum heutigen Datum weder vom Ausschuss noch von der Sprinkenhof AG eine Rückmeldung erhalten. Ungeduld macht sich breit.

Für die Stadtteilinitiative Münzviertel
Günter Westphal

Dieser Beitrag ist auch in der Ausgabe Oktober 2010 des Lachenden Drachen zu finden.