Identität: Münzviertel

zentral, ärmlich,
kreative Vitalität

und soziale

Kompetenz

Versteckt und übersehen – im Gleisdreieck, südlich des ehemaligen Hauptpostamts Hühnerposten. Eine vergessene Randzone zwischen Bahnbetriebsgelände und Fernbahnlinien, durchschnitten von Hauptverkehrsadern.

Von der dichten, gründerzeitlichen Bebauung sind nur wenige Gebäude stehen geblieben. Brachflächen bestimmen das Bild- Trümmergrundstücke am Rande des 1943 verbrannten Hammerbrooks.

Wiederaufbau und Wirtschaftswunder zogen vorbei in lukrativere Gebiete. Allein an den Rändern der Verkehrsschneisen entstanden einige neue Gebäude. Drei spekulativ hochgezogene Hochhäuser stehen jetzt leer- zwei davon als Konkursmasse: Investitionsruinen grenzen direkt an Kriegsbrachen. Erweiterungspläne der Post haben sich zerschlagen- die Post selbst wurde umstrukturiert, der Hühnerposten ist jetzt die Zentralbücherei der öffentlichen Bücherhallen.

Die Brachflächen entlang der Spaldingstraße als Vorratsflächen für Bürobebauung stehen im Schatten anderer, direkt angrenzender Gebiete- erst der Modellversuch City- Süd, dann die international renommierte HafenCity.

Der Standort-Vorteil, die Nähe zur City hat den Lagenachteil, zu nahe an Bahn und Straße zu liegen.

Das Münzviertel ist gekennzeichnet von hoher Heterogenität. Wenige Wohnhauszeilen stoßen direkt an Gewerbe und Brachen. Überraschend allein die hohe Anzahl von Nutzungen, die unter Bildung zusammengefasst werden können: eine Schule für Gehörgeschädigte, ein gründerzeitliches Schulhaus sowie die Architekturgalerie Renate Kammer bilden mit der Kunstmeile zwischen Deichtorhalle, Markthalle und Museum für Kunst und Gewerbe wie der Zentralbücherei in nächster Nähe einen Schwerpunkt, der für die weitere Entwicklung des Gebiets richtunggebend sein kann.

Die Identität des Viertels liegt in seiner Zerrissenheit und kleinteiligen Zersplitterung. Die Verkehrsschneise Spalding- und Amsinckstraße zerschneidet zudem das Münzviertel in zwei Gebiete. Die Nutzung der karitativen Neubauten, wie das Herz- Ass, stehen fast symbolisch für die Einschätzung des Gebiets- zentral, aber ärmlich. Auf den zweiten Blick: statt Vandalismus, Verwahrlosung und Kriminalität bildet sich in dieser Nische ein Freiraum für Kreativität und nachbarschaftliches Engagement.

Und so kann dieses vergessene Viertel voller kreativer Vitalität und sozialer Kompetenz in Verzahnung mit der Entwicklung der benachbarten HafenCity, einem Stadtteil aus der Retorte, (s)eine neue Identität erlangen.

Rüdiger Brinkmann, Architekt und Stadtplaner